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Celotno besedilo
Recenzirano
  • "Mon pays ... C'est partout...
    von Hagen, Kirsten

    Lendemains, 12/2021, Letnik: 46, Številka: 182-183
    Journal Article

    Schön waren sie, diabolisch und verführerisch zugleich, jene ,Zigeuner‘-Figuren, die seit Cervantes’ Gitanilla (1613) auch die Weltliteratur dominierten. All die Heterostereotype, die sie zu attraktiven wie bedrohlichen Figuren des fremden Anderen stilisierten, bereiteten, wir wissen es, den Porajmos, die Auslöschung der Roma mit vor. Wie geht man als Angehörige dieser verfemten und verfolgten Gemeinschaft mit diesen Mechanismen von Inklusion und Exklusion, mit den Bildern und Projektionen um? Einige Roma-Autorinnen haben ihre eigene Ästhetik entwickelt, die vor allem das Ambivalente und Hybride dieser Konstruktionen betont und im Rekurs auf die Ästhetik des magischen Realismus, der Mythenbricolage und intermediale Verfahren alternative Formen der Autofiktion herausbildet (cf. von Hagen 2020: 77-98). Eine wichtige Wegbereiterin dieser Verfahren war Sandra Jayat, die spezifisch die doppelte Marginalisierung als Angehörige der weiblichen Roma betont. Insbesondere ihr früher Roman La longue route d’une Zingarina (1978) war hier für viele andere französischsprachige Autorinnen wegbereitend, wurde in den 1980er Jahren aber auch von der Dominanzgesellschaft rezipiert, als dieser Text für die Lektüre im französi schen Schulunterricht empfohlen wurde und Verkaufszahlen von mehr als 40 000 Exemplaren erzielte (cf. Blandfort 2018). Die Autofiktion schildert in der Form einer Mischung aus Poesie, oral tradierten Geschichten und Mythen und einem durch Digressionen gekennzeichneten Entwicklungsroman die schwierige Identitätssuche der jungen Romni Stellina.