Abstract
This paper focusses on Fanny Lewald’s historical novel »Prinz Louis Ferdinand« of 1849. I examine the biographical as well as cultural-historical circumstances of the work’s genesis. Lewald ...clearly intended it as a critique of Prussian history, but at the same time the work’s focal point turns out to be a quite personal, female perspective. This perspective is mirrored in the prince’s experiences of loss and powerlessness. This leads me to explore the poetological dimensions of a writing in which the figure of the Prussian prince becomes a prismatic center of Lewald’s self-reflection. Here, the figure of Rahel Levin, as prominently portrayed by Lewald in her novel, plays a special role. It is precisely in her that the author’s interest in the political position of the Jewess in her as well as in Rahel Levin’s time becomes apparent.
Louise Aston's work during the 1840s is usually read within the context of the author's life and biography. This paper differs from this reading. Instead, I explore the extent to which a reading ...fixated on the author's life runs the risk of overlooking the perspective of behaviours and gender roles that Aston portrayed in her fictional worlds. Using Aston's poem cycle Wilde Rosen (1846), her 1846 pamphlet Meine Emancipation, Verweisung und Rechtfertigung and the three novels Aus dem Leben einer Frau (1847), Lydia (1848) and Revolution und Contrerevolution (1850), I analyse some of the central motifs of her work. Furthermore, I examine Aston's analysis of socio‐economic violence against women and the intersectional perspective in the context of the situation of the proletarian workers of her time. Finally, my focus lies on Aston's gender practices, as can be seen particularly in her character Alice von Rosen. It is precisely Aston's intersectional connection between gender, and sexual and socio‐economic violence that make her literary works so intriguing up to this day.
Louise Astons Werk, wie es in den 1840er Jahren entstand, wird zumeist mit einem dominant biographischen Interesse am Leben der Autorin gelesen. Dieser Lesart stellt sich die vorliegende Werkschau entgegen. Vielmehr wird gezeigt, inwiefern gerade eine auf das Leben der Autorin fixierte Lesart das visionäre Handlungs‐ und Genderrollenpotential zu übergehen droht, das Aston in ihren Erzählwelten in Szene setzte. Anhand von Astons Gedichtband Wilde Rosen (1846), ihrer Rechtfertigungsschrift von 1846 sowie der drei Romane Aus dem Leben einer Frau (1847), Lydia (1848) sowie Revolution und Contrerevolution (1850) werden die zentralen Motive ihres Werkes in Hinblick auf ihr visionäres Handlungspotential herausgearbeitet. Dazu gehören der Nachweis, dass eine angestrebte Transzendierung der biographischen Festlegung ihres Schreibens bereits in Astons ersten literarischen Äußerungen angelegt war, sowie eine Verortung im literarischen Horizont ihrer Zeit. Ferner wird Astons Analyse struktureller Gewalt gegenüber Frauen und, damit einhergehend, die intersektionale Perspektive, mit der sie diese Gewalt auch auf die Situation der Arbeiter*innen ihrer Zeit bezog, nachgezeichnet. Schließlich steht Astons Genderpraxis im Fokus, wie sie sich besonders an ihrer werkübergreifend auftretenden Figur Alice von Rosen erkennen lässt. Gerade mit Blick auf den Zusammenhang von Gender, sexueller und sozioökonomischer Gewalt wird zuletzt der große Gewinn von Louise Astons literarischem Werk gesehen.
Viele Überlebende der Shoah wollten vor allem eines – Zeugnis ablegen. Schon von dem Moment an, in dem sie die Lager der Nationalsozialisten verließen, waren sie erfüllt von dem Wunsch, der Welt von ...ihren unerhörten Erfahrungen zu berichten. Hiervon wissen wir nicht zuletzt durch die vielfältigen Zeugnisse, die uns mittlerweile von ihnen vorliegen. Doch wenig wissen wir über die eigentlichen Bedingungen der Erzählungen Überlebender: Welche Möglichkeiten, von den Erfahrungen ihrer Verfolgung Zeugnis abzulegen, welche Erzählräume standen ihnen überhaupt zur Verfügung? Und welchen Einflüssen, welchen Begrenzungen unterlag die narrative Gestaltung ihrer Erinnerungen? Wie waren die Kontexte ihres Erzählens bestellt und wie können wir ihren Berichten als Leser, Zuhörer und Zuschauer gerecht werden? Die vorliegende Studie untersucht die lange Suche Überlebender nach Zuhörern und konzentriert sich dabei auf zwei der wichtigsten Zeugnisformen der Nachkriegsgeschichte, die hier erstmals aufeinander bezogen werden: Zum einen geht es um literarische Zeugnisse, die von Überlebenden wie Primo Levi, Jean Améry, Imre Kertész oder Ruth Klüger in höchst unterschiedlicher Form und Absicht verfasst wurden. Zum anderen geht es um die relativ neue Form videographierter Interviews mit Überlebenden, die man vor allem im Laufe der neunziger Jahre gesammelt hat und die uns heute vermehrt in Museen und Unterrichtsräumen begegnet. Anhand von Fallbeispielen werden die Erzählsituationen in beiden Medien genauestens kontextualisiert und analysiert. Dabei ist der Gedanke leitend, dass wir Überlebenden erst dann richtig zuhören können, wenn wir die diskursiven Bedingungen durchschauen, unter denen ihre Zeugnisse entstanden sind. Erst dann wird es möglich, jenes ursprüngliche Dialogangebot anzunehmen, das uns die Zeugnisse Überlebender auch heute noch entgegenbringen.
In museums, schools and other cultural contexts, video testimonies by Shoah survivors are being used and interpreted as a means for historical generalization, yet their individual experience will ...always remain somehow unique. This article addresses the epistemological and ethical challenge of bringing together both perspectives, the subjectivity of the witness and the listeners' urge to generalize, from the specific viewpoint of a literary scholar. Along the lines of a close reading of two German video testimonies, the author proposes a way of interpreting testimony that offers a way of bridging the subjective with the general by carefully going along with the survivor's often highly individual perspective on events and experiences.
Immer schon wollten Überlebende der Shoah von ihren Erfahrungen in den nationalsozialistischen Lagern Zeugnis ablegen. Doch welche Möglichkeiten, welche Erzählräume standen ihnen tatsächlich zur ...Verfügung? Wie und unter welchen Umständen konnten sie ihr Zeugnis narrativ gestalten und in welcher Weise lässt sich diese Gestaltung heute angemessen würdigen? Die vorliegende Studie analysiert die diskursiven Bedingungen der Entstehung und Rezeption sowohl literarischer als auch videographierter Zeugnisse von Überlebenden. Damit werden die beiden heute wichtigsten Formen autobiographischer Erinnerung an die nationalsozialistische Vernichtungsgeschichte erstmals in ein Verhältnis zueinander gesetzt. Diese Verhältnisbestimmung führt zu einer neuen Ethik der Zeugenschaft, die zugleich als Bestandsaufnahme unserer heutigen Kultur der Erinnerung an die jüdische Katastrophe verstanden werden kann.