Das primäre Ziel dieses Open-Access-Buches besteht in der Entwicklung einer Theorie pluraler epistemischer Autoritäten. Epistemische Autoritäten spielen in unserer durch Spezialisierung geprägten und ...hochgradig arbeitsteilig organisierten modernen „Informations-“ oder „Wissensgesellschaft“ eine zentrale Rolle. Die Philosophie hat diesem Umstand in den letzten Jahren durch eine zunehmend intensive Diskussion Rechnung getragen. Ein entscheidendes Defizit dieser Debatte besteht nach Diagnose des Autors allerdings darin, dass sie sich fast ausschließlich auf individuelle epistemische Autoritäten konzentriert hat. In unserer epistemischen Praxis sind plurale epistemische Autoritäten – d.h. wissenschaftliche Gemeinschaften, Expertengremien, Geschworenenjurys usw. – aber mindestens genauso bedeutsam. Wir berufen uns auf „wissenschaftlichen Konsens“, orientieren uns an „herrschenden Meinungen“ usw. und stützen uns damit auf plurale epistemische Autoritäten. Das Buch möchte die Potentiale, aber auch die Herausforderungen und Fallstricke analysieren, die diese Praxis des Sich-Stützens auf plurale epistemische Autoritäten mit sich bringt.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt wird in Bildungseinrichtungen (Eckert 2007) als Teil eines individuellen, aber gesellschaftlich verantworteten Sozialisationsprozesses in den entsprechenden ...Lebensphasen (Abels et al. 2008) erfahren. Dafür sind Kommunikationsprozesse von Bedeutung, die entweder selbst zu einem Konsens führen oder in denen die Entstehung eines Konsenses nachvollzogen werden kann. In den kommunikativen Aushandlungsprozessen während eines Studiums werden Wissensbestände diskutiert und Wissensstrukturen aufgebaut. Studierende, aber auch Lehrende erleben so einen Lehr-Lernzusammenhang, der bestenfalls die Genese wissenschaftlichen Wissens verdeutlicht, und erkennen, dass gesättigtes wissenschaftliches Wissen vom Konsens der Beteiligten abhängig ist. Konsens führt damit zu einem geteilten Wissensbestand, der über den konkreten Lehrkontext hinaus Geltung hat und zu sozialer Kohäsion innerhalb der Universitätsgemeinschaft, darüber hinaus in der Scientific Community und in der Gesellschaft an sich führen kann. Dieser fragile Zusammenhang zwischen Kommunikation, Konsens und Kohäsion in der Wissenschaft ist abhängig von verfügbarem Wissen und damit von der Informationsbeschaffung. Veränderungen, wie sie während der Pandemie zu beobachten waren, als Bibliotheksbestände nurmehr digital zugänglich waren und alle Lehr- und Forschungsanstrengungen in die digitale Welt verlegt wurden (Breitenbach 2021), wirken sich deshalb direkt und indirekt auf die Kommunikation der Universitätsgemeinschaft (Mayrberger 2020; Morselli et al. 2021) aus. Deshalb muss die Frage gestellt werden, wie sich das wissenschaftliche, gesellschaftlich geteilte Wissen verändert und welche Auswirkung es haben kann, wenn nurmehr digitale Bestände und Medien genutzt werden können.
Delphi-Verfahren werden im medizinischen und gesundheitswissenschaftlichen Bereich vor allem in explorativen oder evaluativen Phasen eines Forschungsprozesses eingesetzt, indem explizites und ...implizites Wissen angesehener Expert:innen aus Forschung und Praxis systematisch zusammengeführt wird. Ursprünglich als Methode zur Strukturierung eines Gruppen-Kommunikationsprozesses entwickelt, hat es sich im Gesundheitsbereich als Konsensverfahren etabliert. Die Erkenntnisse werden genutzt, um die Evidenz und Akzeptanz geplanter Interventionen sowie notwendiger Standards oder Richtlinien herzustellen und zu verbessern. So wird die Chance für eine erfolgreiche Implementierung in der Praxis erhöht. Allerdings haben sich in den letzten Jahren verschiedene Varianten von Delphi-Verfahren entwickelt, die im vorliegenden Beitrag systematisch und beispielhaft im Hinblick auf zentrale erkenntnistheoretische und methodologische Forschungsaktivitäten gegenübergestellt und reflektiert werden. Auf der Grundlage dieser Übersicht sollen Forschende dabei unterstützt werden, das für eigene Fragestellungen und Forschungsvorhaben am besten geeignete Delphi-Verfahren auszuwählen.
In the field of medicine and health sciences, Delphi methods are applied mainly in the exploratory or evaluative phases of a research process. Explicit and implicit knowledge of respected experts from research and practice is systematically synthesized. Originally developed as a method for structuring a group communication process, Delphi techniques have been established in the health sector as a consensus method. The findings are used to improve the evidence and acceptance of planned interventions or necessary standards or guidelines and to increase the probability of successful implementation in practice. However, different variants of Delphi methods have been developed in recent years, which are systematically contrasted and reflected in this paper with regard to key epistemological and methodological research activities. Based on this overview, researchers should be enabled to select the most suitable Delphi technique for their own research questions and research endeavors.
Die Vorstellung, dass wir mehrere Menschen zugleich lieben können, wird in modernen, westlich geprägten Gesellschaften sowohl als fast trivialerweise wahr anerkannt, als auch als grundsätzlich ...verfehlt abgelehnt. Während beispielsweise kein Zweifel daran besteht, dass wir üblicherweise unsere Eltern und zeitgleich etwaige Geschwister sowie umgekehrt Eltern für gewöhnlich alle ihre Kinder lieben und wir zudem zumeist mehrere enge und tiefe Freundschaften pflegen, ist die gesellschaftlich vorherrschende Auffassung von romantischer Liebe weitgehend von der Idee geprägt, dass es sich ausschließlich um exklusive Zweierbeziehungen handeln könne. Darüber hinaus haftet allen von der romantischen exklusiven Paarbeziehung abweichenden Formen, Liebe in Beziehungskonstellationen zu leben, eine diese moralisch mindestens als implizit fragwürdig, wenn nicht sogar offen als verwerflich kennzeichnende Be- beziehungsweise Verurteilung an. Tatsächlich gibt es allerdings viele Alternativen zur Monogamie. Der vermutlich berühmtesten, der Polyamorie, widmet sich der vorliegende Schwerpunkt. Das Wort „Polyamorie“ ist ein griechisch-lateinischer Hybrid (griech. polýs, viel/mehrere; lat. amor, Liebe) und die Bezeichnung für das zeitgleiche und konsensuelle Eingehen mehrerer Liebesbeziehungen. „Polycule“ ist das englische Kunstwort für eine ganze Reihe deutscher Ausdrücke für polyamore Beziehungsmodelle wie etwa auch „konsensuell- nichtmonogames Beziehungsnetzwerk“, „Sorgegemeinschaft“, „Wahlfamilie“ oder „Polykül“. Polyamore Beziehungsmodelle sind demnach breit gefächert und können letztlich alle möglichen Beziehungskonstellationen zwischen Personen umfassen, die einander auf die eine oder andere liebende Weise nahestehen. Dieser Schwerpunkt wirft vereinzelt Schlaglichter der philosophischen und ethischen Reflexion auf einige der Fragen und Herausforderungen, die sich hinsichtlich ethischer Polyamorie stellen beziehungsweise die mit dieser Form der nichtmonogamen Beziehungspraxis und -haltung einhergehen. Unsere Autor*innen eröffnen Diskussionsräume über einige grundlegende Aspekte einer Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Polyamorie. Damit stecken wir mit diesem Schwerpunkt das große Feld der philosophischen und ethischen Analyse rund um die Polyamorie lediglich grob ab – eine systematische und umfassende philosophische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Polyamorie muss an anderer Stelle erfolgen. Nichtsdestotrotz erleichtern wir mit diesem Schwerpunkt den Einstieg in die vielfältigen philosophischen und ethischen Fragen, die sich mit dem Phänomen der Polyamorie ergeben und bereiten den Grund für eine dezidierte und genaue Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, vor die wir uns mit ihr gestellt sehen.
Ob es sich um soziale Netzwerke, Fernsehen, Radio oder Zeitungen handelt, Medien haben Einfluss auf unsere Wahrnehmung der Welt und unser Verständnis für die Gesellschaft. Eine Frage hierbei ist, ...welche Bedeutung Medien im Kontext gesellschaftlichem Zusammenhalt haben. Medien können einen wichtigen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt leisten. Jedoch gibt es auch Entwicklungen, die diesen gefährden. Der vorliegende Band zeigt eine Auswahl an theoretischen, empirischen und praxisorientierten Perspektiven zur Frage auf, wie Strukturen interpersonaler und (teil-)öffentlicher Kommunikation sowie Medien insgesamt gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, aber auch herausfordern. (DIPF/Orig.)
For a long time, historical educational research has seen a decline in its representation in university teaching and academic posts. Concurrently, its thematic and methodological variation has ...expanded impressively in the last two decades. This volume, dedicated to Edith Glaser, aims to enrich the legitimacy discourse on the importance and necessity of educational historical expertise from two perspectives. On the one hand, it presents exemplary fields of research in the history of education, on the other hand, contributions show the relevance of historical educational research for other (sub-)disciplines.
Für die Historische Bildungsforschung ist seit langem ein Rückgang ihrer Repräsentanz in der Lehre und in akademischen Stellen zu verzeichnen. Zugleich hat sich das thematische und methodische Spektrum dieser Teildisziplin der Erziehungswissenschaft in den letzten zwei Jahrzehnten beeindruckend erweitert. Dieser, der Bildungshistorikerin Edith Glaser gewidmete Band soll jener stetig wachsenden Vielfalt der Historischen Bildungsforschung Rechnung tragen und den Legitimationsdiskurs über Nutzen und Notwendigkeit bildungshistorischer Erkenntnisse aus zwei Sichtweisen bereichern. So werden zum einen exemplarische Beschäftigungsfelder bildungshistorischen Arbeitens aufgezeigt, zum anderen wird die Relevanz der Historischen Bildungsforschung als Bezugspunkt für andere Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft, der Politikwissenschaft und der Geschichtswissenschaft dokumentiert.
Empfehlungen aus S3-Leitlinien (S3-LL) stellen eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Qualitätsindikatoren (QI) dar. Ein einheitliches methodisches Vorgehen zur Entwicklung von QI im Kontext ...von S3-LL existiert in Deutschland bisher nicht. Aus diesem Grund wurde ein methodischer Standard für die leitlinienbasierte Entwicklung von QI (QI-Standard) anhand eines strukturierten Konsensprozesses unter Einbezug der relevanten Experten- und Interessengruppen erarbeitet.
Die Inhalte des QI-Standards wurden evidenzgeleitet zusammengestellt, basierend auf den Ergebnissen von Übersichtsarbeiten und qualitativen Studien sowie unter Berücksichtigung der bereits existierenden Manuale zur leitlinienbasierten QI-Entwicklung. Für die Abstimmung des QI-Standards wurde ein multiperspektivisches Panel mit breiter Repräsentanz von Experten- und Interessengruppen aus dem deutschen Gesundheitssystem und Expertise in Leitlinienarbeit und/oder Qualitätsmanagement nominiert. Das iterative, strukturierte Konsensverfahren beinhaltete eine zweistufige Onlinebefragung angelehnt an das Delphi-Verfahren („vorläufige Abstimmung“) sowie eine moderierte Abschlusskonferenz, bei der diejenigen Empfehlungen in den QI-Standard aufgenommen wurden, die eine Zustimmung von>75% (Konsens-Kriterium) des Expertenpanels erhielten.
Der erarbeitete QI-Standard sieht als QI-Entwicklungsschritte zuerst die kriteriengestützte Auswahl „potenzieller QI“ vor, die nach ihrer Verabschiedung als „vorläufige QI“ in der S3-LL veröffentlicht werden und schließlich nach erfolgreicher Testung den Status „finale QI“ erlangen. Der QI-Standard setzt sich aus insgesamt 30 Empfehlungen zusammen, die sich auf sechs Bereiche verteilen: A) Vorbereitende Arbeitsschritte für die leitlinienbasierte Empfehlung von QI, B) Zusammensetzung der QI-Entwicklergruppe und Zusammenarbeit mit der LL-Gruppe, C) Entwicklung der potenziellen QI, D) Bewertung der potenziellen QI, E) Verabschiedung und Publikation sowie F) Pilotierung/Testung der vorläufigen und Überführung in finale QI.
Bevor der QI-Standard bei künftigen S3-LL-Erstellungen oder Aktualisierungen zur Implementierung empfohlen werden kann, sollte dieser in ausgewählten S3-Leitlinienprojekten erfolgreich erprobt worden sein. Neben methodischen Anforderungen an die QI-Entwicklung muss sichergestellt sein, dass den LL-Gruppen adäquate Ressourcen für die Umsetzung des QI-Standards zur Verfügung stehen.
Vom Einsatz des QI-Standards durch Leitliniengruppen können wissenschaftlich fundierte und für die Versorgung relevante QI erwartet werden.
Recommendations of evidence- and formally consensus-based clinical practice guidelines (CPGs) represent a valuable source of quality indicators (QIs). Nevertheless, a standardized methodological procedure for developing QIs in the context of CPGs does not yet exist in Germany for all CPGs. For this reason, a methodological standard for the guideline-based development of QIs (QI Standard) was developed based on a structured consensus process involving multiple key stakeholders.
The proposed content of the QI Standard was derived from evidence, drawing upon results of reviews and qualitative studies, and considered German manuals for guideline-based QI development of two guideline programs. A multi-perspective consensus panel, broadly representing key stakeholders from the German healthcare system with expertise in CPGs and/or quality management, was nominated to vote on recommendations for guideline-based development of QIs. The iterative, structured consensus process included a two-stage online survey based on the Delphi method (“preliminary voting”) and a moderated final stakeholder conference where all those recommendations were definitely included in the QI Standard that received approval of more than 75 % (consensus criterion) of the consensus panel.
Based on the agreed QI Standard, the QI development process starts with a criteria-based selection of „potential” QIs which – in case of adoption – are published in CPGs as „preliminary” QIs and can achieve the status “final” after successful testing. The QI Standard is composed of a total of 30 recommendations, which are allocated to six areas: A) preparatory work steps for the guideline-based recommendation of QIs, B) QI development group and cooperation with the CPG group, C) development of potential QIs, D) critical appraisal of potential QIs, E) formal adoption and publication as well as F) piloting/testing of preliminary QIs and conversion into final QIs.
Before the QI Standard can be recommended for implementation in future CPGs, it should have been successfully tested in selected German CPG projects. In addition to methodological requirements for the QI development, it must be ensured that guideline groups have adequate resources for the implementation of the QI Standard.
By using the QI Standard, scientifically sound and healthcare-relevant QIs can be expected.